Nigel Hall

From Memory

02.02.2018 - 14.04.2018

 

 

 

 

Nigel Hall nimmt die Welt als aufmerksamer Spaziergänger wahr. Es sind ihre räumlichen Dimensionen, die er betrachtet und vor allem ihre Landschaften. Die grosse Leere chilenischer Wüstenregionen beeindruckt und inspiriert ihn ebenso wie die schroffe Schönheit der Engadiner Berge oder das hohe, intensive Licht des mediterranen Frankreichs. Es ist die Gleichzeitigkeit von Ruhe und Bewegung, die ihn beim Gehen so anregt. „Man sieht in der Nähe Dinge, die sich im Vorbeigehen bewegen, während der Hintergrund still wirkt“, beschreibt er dieses Phänomen.

 

In seinen Werken verarbeitet Nigel Hall seine Wahrnehmungen, seine Landschaftseindrücke, indem er sie zu reiner Form komprimiert. Zwar zeichnet er durchaus auch Menschen, Pflanzen, Landschaftsdetails in naturalistischer Weise. Doch stellt er diese Zeichnungen nur äusserst selten aus. Berühmt wurde er mit seinen geometrisch klaren, formal zurückgenommenen Skulpturen und Zeichnungen, in die er die Begegnungen mit Räumen einfliessen lässt, ohne abbildend darauf zu reagieren. Vielmehr übersetzt er seine Beobachtungen in Skulpturen und Zeichnungen mit strenger Linienführung und reduzierten Formen, um das Verhältnis von Licht und Schatten, Fläche und Linie, Form und Leere, Bewegung und Ruhe untersuchen zu können.

 

In der Skulpturen-Serie „Southern Shade“, die Nigel Hall vor einigen Jahren begonnen hat, reflektiert er Eindrücke aus Südfrankreich. Es sind vor allem die Pinien mit ihren markanten schirmförmigen Kronen, die den Künstler faszinieren, das reiche Formenspiel der Äste. Die Einschlüsse von Licht, von Schatten im Gewirr der Zweige spiegeln sich im Werk Nigel Halls in elliptischen Formen unterschiedlicher Grösse, die zu Gefässen voller Raum, voller Licht aber auch voller Dunkelheit werden. Diese Möglichkeit, räumliche Erfahrungen zu erzeugen, ist es die Nigel Hall an der Skulptur reizt. Seine dreidimensionalen Arbeiten, sagt er, öffneten den Blick, ähnlich „wie eine Landschaft, in der man den Himmel durch die Bäume sehen kann.“ Hier kommt wieder der Blick des Spaziergängers ins Spiel, der den Raum in Bewegung bringt.

 

Neben seinen Skulpturen fertigt Nigel Hall ein- und mehrfarbige Zeichnungen. Diese Arbeiten auf Papier sind keine Skizzen, sondern eigenständiger Teil seines Werkes. In ihnen variiert Hall das auch in der Skulptur dominante Thema der Wahrnehmung, auf limitiertem Raum. Nigel Hall vergleicht sie mit einem japanischen Garten, der mit wenig Land auskommt, aber mit dem Fernblick arbeitet: Optisch ist mehr in dem Garten, als sich in Quadratmetern bemessen lässt.

 

In seinen Zeichnungen arbeitet Nigel Hall mit kräftigen Tönen wie Gelb und Schwarz und Rot, die er mit Gouache aufträgt. Neben den farbigen Formen bleiben skizzenhafte Kohlezeichnungen sichtbar, die den Blättern etwas Raues und Rohes geben, die auf den handwerklichen Prozess hinter den Zeichnungen verweisen und ihnen zugleich eine weitere, schemenhafte Dimension hinzufügen. Die matten, in Kohle ausgeführten Partien artikulieren den Bildraum und verleihen den makellos wirkenden farbigen Formen so etwas wie Schatten oder auch Lichthöfe.

 

Die Wahrnehmung des Spaziergängers ist von Veränderlichkeit und Vergänglichkeit geprägt, davon zeugen die elliptischen Formen, die im skulpturalen wie im zeichnerischen Werk Halls von Bedeutung sind. Nigel Hall spielt damit auf den Umstand an, dass runde Formen in der Bewegung perspektivisch verzerrt erscheinen. Auch die Veränderungen, die sich durch zeitliche Abstände ergeben, spielen für Nigel Hall eine Rolle. Er lässt seine Eindrücke von Landschaften und Räumen direkt in seine Arbeit einfliessen, ohne fotografische Vorlagen. Er arbeitet nach eigener Anschauung und Erinnerung. Der Titel der Ausstellung: „From Memory“ gilt dieser Arbeitspraxis, verweist aber auch auf den Verlust seiner Frau, die ihm über 40 Jahre wichtige Begleiterin und Gesprächspartnerin war.

 

Nigel Hall, dessen Werk durch formale Zurückgenommenheit und strenge Eleganz gekennzeichnet ist, zählt zu den renommiertesten britischen Gegenwartskünstlern. Er studierte u.a. am Royal College of Art in London, wo er später als Dozent tätig war. Zudem war er Leiter des Fachbereichs für Skulptur am Chelsea College of Arts. 2003 wurde er zum Mitglied der Royal Academy of Art ernannt. Nigel Hall lebt und arbeitet in London. Seine Werke finden sich in renommierten Museen und Privatsammlungen wie der Tate Britain in London, der Neuen Nationalgalerie, Berlin, dem National Museum of Art, Osaka, dem Museum of Modern Art, New York und dem Kunsthaus Zürich.

 

 

Alice Henkes

 

 

Biografie

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